ILLUSTRIERTE GESCHICHTE |
||||
Graf Wilhelm zu Stolberg -Roßla |
||||
11.7.1748 - 6.2.1826 |
||||
In der Roßlaer Wasserburg geboren, erfuhr Graf Johann Wilhelm Christoph eine strenge elterliche Erziehung. Angeregt von seiner Mutter Gräfin Sophie zu Stolberg-Roßla, geb. Reuß j.L., führte er schon im Kindesalter Rechnungs- und Tagebücher, die seine konsequente Ordnungsliebe zeitlebens prägten. Wie sein Bruder Graf Heinrich Christian Friedrich studierte Graf Wilhelm 1765-67 an der Universität Leipzig und vollendete sein Studium in Straßburg, nachdem er „einige juristische Privatissima hörte“. 1769 wurde er Kammerherr am Dresdener Hof und ein Jahr später bis 1778 kursächsischer Hof- und Justizrat.
Der Vater Graf Friedrich Botho hinterließ 1768 eine hoch verschuldete Grafschaft, deren drohender Konkurs bevorstand. Sein Bruder, der Graf Heinrich Christian Friedrich war der Erbe, doch dieser Aufgabe nicht gewachsen. So wurde Graf Wilhelm vom Kurfürsten Friedrich August III. von Sachsen als Verwalter eingesetzt. Seine geschickte Sparpolitik führte erfolgreich zur Entschuldung.
Graf Wilhelm ließ die Wälder neu vermessen, gebot dem Raubbau Einhalt, stellte die Forstbeamten fest ein und regelte die Bewirtschaftung durch Verordnungen. Das Kirchen- und Schulwesen war infolge des 7jährigen Krieges desolat. Bereits 1782 übernahm er die Ernennung der Pfarrer und Lehrer, die nach gewissenhafter Prüfung berufen wurden. Die 1802 entstandene „Theologische Lesegesellschaft“ begrüßte er aus seiner pietistischen Glaubenshaltung heraus und wirkte fördernd mit. Er finanzierte ein neues Gesangbuch und ließ es verteilen. Aus dem Haushalt der Grafschaft flossen feste Beträge, die er mit privaten Zulagen aufbesserte, in die Kirchen und Schulen. Ebenso kümmerte er sich um die Einhaltung der Schulordnung, erhöhte die Besoldung der Lehrer, die unter Aufsicht der Ortspfarrer wirkten. Zum Ansporn gab es für die Kinder als Belohnung gute Bücher und am Ende der Schulzeit eine silberne Münze. |
1815 ließ Graf Wilhelm das Hebammenwesen in der Grafschaft neu regeln und ordnete die Kuhpockenimpfung an. In der Missernte von 1816 richtete er eine Brotverteilungsanstalt ein, die er reich bezuschusste. Hiermit regte er auch die Bevölkerung an, freizügig in der Not mitzuwirken. Für seine Verdienste erhielt er 1819 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. den Roten Adler Orden 1. Klasse.
Sein Privatvermögen bestimmte er testamentarisch u. a. zur Errichtung der „Wilhelmschen Stiftung zum Besten des gesamten Schulwesens“. Erst durch die Inflation in den 1920er Jahren verlor das angewachsene Stiftungsvermögen, das im Wesentlichen in Staatspapieren angelegt worden war, an finanzieller Bedeutung.
Obwohl Graf Wilhelm als sehr gläubiger Protestant kein Freund von allem Luxus war, wahrte er jederzeit die Würde seines Standes. Auf seinem Schloss pflegte er geselliges Leben, das er durch sein reiches Wissen und natürliche Unterhaltungsgabe belebte.
Am 6. Februar 1826 starb Graf Wilhelm und wurde auf dem alten Friedhof in der Kyffhäuserstraße, außerhalb der Familiengruft, schlicht bestattet. In den 1920er Jahren wurde dort ein Obelisk mit Findlingen aus jeder Ortschaft der Grafschaft mit einem bronzenen Bildnis des Grafen zum Gedenken errichtet. Dieses Denkmal und seine Grabstätte wurden nach 1945 zerstört. Heute erinnert in Roßla an ihn die Wilhelmstraße und die rekonstruierte barocke Schlossturmhaube von 1789, die die Silhouette des Ortes prägt.
© 2016 / Jens Waschau / Quellen: Denkschrift auf den Erlauchten Grafen und Herrn Johann Wilhelm Christoph...; Ch.F. Zöllich Roßla, gedruckt Stolberg 1826 bei August Schulze Mitteldeutsche Lebensbilder, Herausgeber Historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt, 5. Bd., Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts, Magdeburg 1930 Roßla am Harz im Wandel der Zeit; Eduard Günther, Ortsgeschichte 1937, 1938 Roßla Erinnerungen, IG Heimat- und Schlossgeschichte Roßla, Freising 1996 Bild: Profil nach einem Steindruck gefertigt Hamburg 1827 |