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Als urkundlich gesicherter erster Vertreter der Familie Stolberg wird Graf Heinrich zu Stolberg (von Stalberg) in einer Urkunde von 1210 genannt, der bereits im Jahre 1200 als Graf Heinrich von Voigtstedt erwähnt wird. Während zunächst Voigtstedt bei Artern der Sitz dieses Grafengeschlechts war, wurde dies spätestens zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Ort Stolberg im Harz. Die dortige Burg bildete fortan den Stammsitz der zu den Harzgrafen zählenden Familie.
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Dieser Heinrich tritt erstmals in die breiter beurkundete allgemein bedeutsame Geschichte als Teilnehmer des (friedlichen!) Kreuzzuges Kaiser Friedrich II. Er begleitet den thüringischen Landgrafen Ludwig IV. („der Heilige“), den Gemahl der späteren Heiligen Elisabeth, nach Palästina. |
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Anhand der zuverlässigen schriftlichen Überlieferung lassen sich Herkunft und genealogische Abstammung der in den Jahren 1890/92 in den Fürstenstand erhobenen Grafen zu Stolberg bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts gesichert zurückverfolgen.
In der Zeit der literarisch ausgerichteten Bildungsbewegung des Renaissance-Humanismus um 1500 entstand die Legende, dass der Stifter der Familie Stolberg ein Angehöriger eines bekannten und zum europäischen Hochadel zählenden Adelsgeschlechts aus der Stadt Rom mit Namen Otto de Colonna gewesen sei, welcher sich im Jahre 566 n. Chr. in der Nähe des Harzes aufgehalten haben soll. Als er dort bei der Jagd einen großen schwarzen Hirsch fing, hat er denselben dem damals regierenden oströmischen Kaiser Justin II. als etwas Ungewöhnliches präsentiert. Der Kaiser nahm dieses Geschenk mit Gnade und Verwunderung an, und weil sich der edle Römer bereits zuvor kaiserliche Verdienste erworben hatte, beschenkte der Kaiser ihn mit dem Ort Stolberg und verlieh ihm den Grafentitel und das Recht, ein Wappen mit dem schwarzen Hirsch zu führen.
Die Gemahlin des ersten Grafen zu Stolberg sei eine Gräfin von Henneberg gewesen. Von diesen beiden legendären Personen würden alle heutigen Mitglieder des Hauses Stolberg abstammen.
Bis in das 19. Jahrhundert begannen die meisten Chronisten die Familiengeschichte des Hauses Stolberg mit dieser Legende und ergänzten durchaus auch mit kritischen Ansätzen, wie Johann Arnold Zeitfuchs in seiner 1717 erschienenen Stadt- und Kirchenchronik von Stolberg, die altbekannte Erzählung um einzelne Details oder verwiesen wie der Pfarrer Läncher 1844 in Neustadt/Harz auf noch sagenhaftere Darstellungen.
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1766 wurde in den „Historisch-genealogischen Abhandlungen“ des Historikers und Genealogen Johann Ludwig Levin Gebhardi erstmals eine durchaus realistisch erscheinende Auffassung über die Abstammung der Grafen zu Stolberg publiziert, nach der diese unmittelbar mit den benachbarten Grafen von Hohnstein verwandt sein sollen. Deren 1627 zerstörte Stammburg Hohnstein befindet sich unweit der Gemeinde Neustadt/Harz im heutigen Landkreis Nordhausen im Freistaat Thüringen. Mehrere Vertreter der mit der Aufklärung verstärkt einsetzenden wissenschaftlichen Geschichtsforschung favorisierten und bekräftigten diese Meinung über einen genealogischen Zusammenhang der Stolberger mit den Hohnsteiner Grafen, andere brachten eigene Theorien einer möglichen Herkunft der Grafen zu Stolberg hervor. Reichlich Anregung dazu bot insbesondere die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt einsetzende Edition von Urkundenbüchern und Regestenwerken.
Mit dem Erscheinen des Urkundenbuches des Stifts Walkenried im Jahre 1852 war allerdings auch erkannt worden, dass sich Gebhardi bei seiner Beweisführung auf eine falsche Behauptung gestützt hatte. Seine Theorie einer möglichen Abstammung der Grafen zu Stolberg von denen von Hohnstein wurde damit aber nicht hinfällig. Der damalige Forschungsansatz, aus den zerstreut zwischen den Besitzungen der Grafen von Hohnstein und von Klettenberg liegenden Stammterritorien der Stolberger Grafen verwandtschaftliche Beziehung und gleiche Wurzeln abzuleiten, wurde im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert u. a. von Graf Botho zu Stolberg-Wernigerode, George Adalbert von Mülverstedt, Eduard Jacobs und Karl Meyer übernommen und wird auch heute als eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit favorisiert.
Dr. Jörg Brückner
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