ILLUSTRIERTE GESCHICHTE
 

 
     
 

BLÜTEZEIT DES BAROCK
 

Johann Gottfried Schnabel (1692-vor 1748)
Balbier, Kammerdiener, Hof-Agent und
Autor des Romans "Die Insel Felsenburg“
 
 
     
 

Johann Gottfried Schnabel schrieb „eines der wichtigsten Werke unserer Literatur“ (Arno Schmidt, 1960). Gemeint ist der von 1731 bis 1743 in Nordhausen erschienene vierbändige Roman „Wunderliche FATA einiger See-Fahrer“, der unter dem Titel „Die Insel Felsenburg“ allgemein bekannt wurde. Er gilt als bedeutendste deutsche Robinsonade und Dokument der Frühaufklärung und wird allgemein als pietistische Sozialutopie interpretiert. Gewürdigt werden aber vor allem die zeitkritischen, exemplarischen bürgerlichen Lebensläufe im Roman.

Geboren wurde Johann Gottfried Schnabel 1692 als Sohn eines lutherischen Pastors in Sandersdorf bei Bitterfeld. Sein Sterbedatum und Sterbeort sind bisher nicht bekannt. Nach neuester Quellenlage starb er zwischen 1744 und 1748.

Anderthalb Jahre nach seiner Geburt wurde er Vollwaise. Er wuchs wahrscheinlich bei seinem Großvater, einem Pastor in Altjeßnitz, auf. 1702 finden wir ihn im Schülerverzeichnis der Latina des von August Hermann Francke (1663-1727)
 

 

begründeten Waisenhauses im damaligen Hallenser Vorort Glaucha. Danach ging er bei einem Balbier, vermutlich in Halle/Saale, in die Lehre. Seine Gesellenzeit leistete er als Feldscher ab, zunächst in der Wolfenbütteler, dann in der kursächsischen Armee. Mit einem Wolfenbütteler Regiment nahm er im Spanischen Erbfolgekrieg an Feldzügen in Brabant (1709-1712) teil, nach eigener Auskunft in unmittelbarer Nähe des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736). Sein Dienst in einem sächsischen Regiment führte ihn durch polnisches Gebiet bis nach Sandomir und Lemberg. 1719 war er Barbiermeister in Querfurt und zusammen mit zwei weiteren Meistern Begründer der dortigen Barbier-Innung. 1721 heiratete er in der Querfurter Schlosskapelle Johanna Sophia Dietrich, die Tochter eines Ratsherrn, Postverwalters und Gasthofbesitzers in Querfurt. Sein erster Sohn, Johann Friedrich, wurde am 30. August 1721 geboren. 1723 avancierte er sogar zum „Sachsen-Weissenfelß. Hoff-Chirurgus“.

 
  1724 zog er mit seiner Familie nach Stolberg/Harz und wurde Bürger der Residenzstadt. Das Bürgereidbuch der Stadt verzeichnet ihn als „Hof-Balbier“, obwohl er diese Tätigkeit als Wundarzt nach bisherigem Kenntnisstand weder am Hof noch in der Stadt ausgeübt hat.

Am Hof des damals regierenden Grafen Christoph Friedrich zu Stolberg-Stolberg (1672-1738) wird er 1729 zum Kammerdiener und erhält 1731 eine Lizenz als Zeitungsherausgeber. Seine Zeitung, die „Stolbergische Sammlung Neuer und merckwürdiger Welt-Geschichte“, ist vermutlich bis 1744 erschienen. Erhalten geblieben sind nur die Jahrgänge von 1731 bis 1738. Mit seiner Arbeit als Zeitungsredakteur beginnt Schnabel zu dieser Zeit in Stolberg auch seine bemerkenswert produktive Tätigkeit als Schriftsteller. Neben den vier Bänden der „Wunderlichen FATA einiger See-Fahrer“/ „Insel Felsenburg“, die er unter seinem Pseudonym „Gisander“ veröffentlicht, erscheinen einige Gelegenheitsschriften wie etwa sein detaillierter Bericht über den Durchzug Salzburger Emigranten durch Stolberg im Jahr 1732; oder 1736 eine biographische Schrift über den Prinzen Eugen (1663-1736). Vor allem stammt noch
 

ein weiteres bedeutendes Werk aus seiner Feder: der 1738 anonym erschienene Roman „Der im Irr-Garten der Liebe herum taumelnde CAVALIER“.

Vermutlich ist Johann Gottfried Schnabel bereits 1744 gestorben. Nach 1744 kamen aber noch weitere Romane auf den Markt, die ihm zugeschrieben werden. 1750 erschien sogar noch ein Roman unter seinem Pseudonym „Gisander“. Sein Werk ist nicht nur Gegenstand einer umfangreichen literaturwissenschaftlichen Forschung, sondern findet auch immer noch interessierte Leser.

1992, nach einer Festveranstaltung im Stolberger Schloss anlässlich seines 300. Geburtstages, wurde in Stolberg eine Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft gegründet. Diese literarische Gesellschaft ist seither bemüht, Leben und Werk Schnabels allgemein bekannt zu machen und die Forschung zu Johann Gottfried Schnabel und seinem Werk zu fördern.
 

Gerd Schubert

Zur Schnabel-Gesellschaft

 
     

 

 

 

J. G. Schnabel, Karte der Insel Felsenburg aus dem ersten Band der "Wunderlichen FATA einiger See-Faher", 1731.   J. G. Schnabel, erste Seite der ersten Ausgabe "Stolbergische Sammlung Neuer und Merckwürdiger Welt-Geschichte", 30 Juli 1731