ILLUSTRIERTE GESCHICHTE |
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ZEITENWENDE UND INDUSTRIALISIERUNG
Otto Graf und Fürst zu Stolberg-Wernigerode (1837 – 1897) Konservativer Standesherr und Politiker, erfolgreicher Unternehmer und Diplomat |
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Schon Ende des 16. Jh. müssen die Stolberger Grafen in ständigen Auseinandersetzungen mit den mächtigen Nachbarn Kurmainz und Kursachsen zunehmende Eingriffe in die Landeshoheit und Beschränkungen ihrer Rechte hinnehmen. Dennoch behalten sie ihre Souveränität und damit Sitz und Stimme im Reichstag durch die Napoleonischen Wirren hindurch bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806. Als Ergebnis des Wiener Kongresses 1815 wird der |
preußische König neuer Landesherr der Grafschaft. Später erhalten sie einen Sitz im Preußischen Herrenhaus. 1878 wird Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode Vizekanzler und Stellvertreter des Reichskanzlers Otto von Bismarck. Neben seinen politischen Tätigkeiten tat er sich hervor durch ein „Votum über die sozialpolitischen Reformaufgaben der Regierung“, in der er die soziale Verantwortung des Staates im aufkommenden Industriezeitalter betont. |
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Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode wird am 30. Oktober 1837 im hessischen Gedern geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters Hermann übernehmen die Mutter Emma geb. Gräfin Erbach-Fürstenau und Großvater Henrich die Erziehung des Jungen. Otto besucht die Gymnasien in Freiimfelde (Halle/Saale) und Duisburg; anschließend studiert er in Göttingen und Heidelberg bis 1858 u.a. Rechtswissenschaft, Nationalökonomie und Geschichte. Den Abschluss seiner Lehrjahre bildet der freiwillige Dienst in der preußischen Armee bis 1861; erst dann übernimmt Otto die Regierungsgeschäfte seiner Grafschaft Wernigerode. |
Ehe werden 4 Söhne und 2 Töchter hervorgehen. |
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Die Berufung zum Deutschen Botschafter in Wien bewirkt 1876 einen weiteren Karriereschub, dem die Ernennung zum Mitglied des preußischen Staatsministeriums und Stellvertreter des Reichskanzlers 1878 folgt. Damit befindet sich die politische Laufbahn scheinbar auf dem Höhepunkt, tatsächlich jedoch in der Sackgasse: In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Otto - bis heute - nur als Ausführender Bismarckscher Weisungen. Tatsächlich lässt Bismarcks überragendes Ego keinen Raum für eigenständiges Denken und Handeln seiner Untergebenen, so dass der Graf bereits 1881 um seinen Abschied bittet. In Erinnerung bleibt sein diplomatisches Geschick, mit dem er Kaiser Wilhelm zum Abschluss des Zweibundes Deutschland - Österreich bewegen kann. Aufgrund der engen Beziehungen zum preußischen König übernimmt Otto diverse Ehrenämter am Hof; so wird er 1884 zum Oberstkämmerer ernannt und leitet ab 1885 das Königliche Hausministerium. Mit dem Tode des ihm stets verbundenen Königs endet 1888 auch diese Periode; der neue Kaiser trennt sich umgehend von den alten Gefolgsleuten seines Großvaters. Wilhelm II. „versüßt“ allerdings den Abschied mit der nachträglichen |
Anerkennung des bereits 1742 verliehenen Reichsfürstentitels.
Mario Bolte (Geschichts-und Traditionsverein Stolberg) |
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